Note for my English readers: You will find an English version of this blog post under Scratch2015AMS – meeting a community
Nach längerer Tagungsabstinenz habe ich auf Anregung von Jens Mönig kurz entschlossen an der Scratch2015-Konferenz in Amsterdam teilgenommen. Da ich meine Exponate zur frühen Computerkunst mit Snap! erstellt hatte, meinte er, diese Tagung würde mir sicher viele Anregungen liefern für meine Pläne, weiter solche Grafiken zu Remixen und zu Recoden. Und er hatte recht. Ich hatte einige „Wow!“-Erlebnisse und bin mit einem Sack voller Ideen zurückgekehrt. Aber die Highlights der Reihe nach.Der Eröffnungsabend im eindrucksvollen Bau der ODA wurde geprägt von der Keynote von Cynthia Solomon, der großen alten Dame der Logo Bewegung (Computer Cultures for Children. From Logo to Scratch and beyond ). Ihr bewegender Rückblick – illustriert mit seltenen Bildern aus den Anfangstagen der Logo-Entwicklung – zeigte, wie weitreichend die Konzepte bereits Anfang der siebziger Jahren waren, die die theoretische Basis für die aktuellen Aktivitäten rund um Scratch legten und die damals technisch auf heute schon fast skurril anmutenden Dinosauriern der Computergeschichte umgesetzt wurden. Am Ende schlug Cynthia gekonnt den Bogen zu Scratch und zeigte wie gut sie selbst immer noch in der Community integriert ist.
Von den Keynotes der nächsten Tage sind für mich besonders die von Mitch und Beat, Linda und Eric in Erinnerung geblieben. Mitch zeigte, dass Scratch durch die vielen damit initiierten unterschiedlichen Aktivitäten, Erweiterungen und die Einbindung in die Sozialen Medien, weit mehr ist als eine Programmiersprache, nämlich eine inzwischen globale Lern-Community.
Beat wies darauf hin (hier seine Folien Beat), dass es inzwischen viele erschwingliche Geräte gibt, mit denen die alten Ideen leichter und breiter umgesetzt werden können. Und es gibt inzwischen Werkzeuge (wie Snap!), die zu den wichtigen informatischen Konzepten (er nannte als Beispiel das Lambda-Kalkül) hinführen können. Aber er wies darauf hin, dass die Begeisterung aus der Gruppe der Insider erst noch auf die Eltern, Lehrer und Entscheider übertragen werden muss.
Linda Liukas war dann das lebende Beispiel dafür. Bei der Vorstellung ihres Buches Adventures in Coding strahlte sie diese Begeisterung aus, die wohl auch für den Erfolg ihrer kickstarter-Kampagne zur Realisierung ihres Buches sorgte.
Das war für mich sowieso das prägende Merkmal der Konferenz (und deutlich anders, als ich es von den vielen wissenschaftlichen Tagungen während meiner beruflichen Tätigkeit kannte), die ansteckende Begeisterung, mit der alle Projekte vorgestellt wurden und die große Empathie, wie diese durchwegs aufgenommen und gerne über mögliche Schwächen hinweggesehen wurde.
Einen Schwerpunkt der Konferenzbeiträge bildeten vielerlei Möglichkeiten mit Robotern, Sensoren und über Interfaces mit unzähligen, oft überraschenden Geräten, zu interagieren. Zu viel, um es hier vorzustellen, auch weil ich für mich einen anderen thematischen Schwerpunkt gesetzt hatte. Genannt werden muss aber doch Turtlestitch, das Projekt von Andrea Mayr-Stalder, die mit Snap! elektronische Stickmaschinen steuert und damit kreatives textiles Gestalten praktiziert und vermittelt.
Und damit zu meinen persönlichen Wow-Erlebnissen.
Ein solches war Workshop und Präsentation des Curriculums The Beauty and Joy of Computing (BJC) vom Team um Brian Harvey. Obwohl ich weder Informatiker noch Lehrer bin, haben mich als Fachfremden dessen Ansatz und die praktische Umsetzung völlig überzeugt. Das betrifft sowohl die Anknüpfung an gesellschaftspolitische Probleme (als Basislektüre dazu dient das Buch Blown to Bits), als auch die Zentrierung auf die „Big Ideas“, wie z.B. Abstraktion, Rekursion, Nebenläufigkeit. Als Dan Garcia das am konkreten Beispiel vorführte, war ich begeistert und sofort fest entschlossen, einige meiner eigenen Beispiele entsprechend zu ändern und dadurch variabler und leistungsfähiger zu machen.
Ideen für mein Computerkunst-Projekt lieferte danach der Workshop von Bernat Romagosa über die Snap!-Erweiterung Snapi!, mit der offene Daten eingelesen, verarbeitet und dargestellt werden können. Sobald das so dokumentiert ist, dass auch ich das verstehe, mache ich mich daran, Hommagen an Morellet (der Zahlen aus dem Pariser Telefonbuch grafisch umsetzte) mit solchen Daten zu produzieren.
Als drittes Highlight ist dann noch der GP-Workshop zu nennen. GP steht für General Purpose und ist eine neue visuelle Programmierumgebung, die leistungsmäßig weit über Scratch und auch Snap! hinausgeht und u.a. die Entwicklung von Apps für mobile Geräte ermöglichen soll. Im Workshop konnten wir mit der „Pre-Alpha“-Version experimentieren. Echt stark, wie über einen Schieber zwischen visueller und textlicher Repräsentation gewechselt werden kann. Denjenigen, die nur dann von einer „richtigen“ Programmiersprache sprechen, wenn sie textbasiert ist, wird damit wohl viel Wind aus den Segeln genommen (und Sniff damit eigentlich auch überflüssig?). Lustig übrigens, dass Jens bei den Beispielen u.a. meine Schotter-Grafik (Hommage an Nees) beigesteuert hat. Leider wird GP wohl erst in ein bis zwei Jahren freigegeben; stimme deshalb Derek Breen völlig zu:
Ach ja, mein Lieblingsprojekt zur Computerkunst, dass ich in Snap! umsetze, konnte ich auch kurz vorstellen. Bei den Abendveranstaltungen gab es sogenannte teachmeets, d.h. informelle Angebote im Stile einer Unkonferenz, von 2 Minuten (Nano-Präsentation) bis 7 Minuten (Mikro-Präsentation), zu denen sich spontan Teilnehmer melden konnten. Eigentlich soll es möglichst ohne Folien stattfinden und die Reihenfolge wird ausgelost. Ich habe gleich zweimal teilgenommen; am ersten Abend zwei Minuten ohne Folien und am zweiten Abend sieben Minuten mit Folien – denn außer mir hatten alle Folien – und gerade mein Thema Computerkunst ließ sich dadurch natürlich anschaulicher darstellen. Lohn der Mühe war der Gewinn eines DIY Synthesizers in der Lotterie.
Am Ende verließ ich Amsterdam mit einem Koffer voller Ideen. Die Konferenz wird sicher Nachwirkungen auf meine Projekte haben und ich werde sicher mit einigen der neuen persönlichen Kontakte im Austausch bleiben. Mein Fazit: Scratch2015AMS war ein tolles Erlebnis und mein Dank geht an das Organisationsteam, stellvertretend an Joek van Montfort, die diese produktive Atmosphäre geschaffen haben.
Update 25.8.2015: Die Folien meiner Mikro-Präsentation beim teachmeet sind nun auch in meinem Slideshare-Kanal zu finden:
Pingback: Scratch2015AMS – meeting a community | Programmieren für Alle
Pingback: Bericht über eine Scratch-Konferenz | Fortbildung in Bibliotheken
Pingback: Visual Programming with Scratch – not only for kids! | Programmieren für Alle
Pingback: Meine SnapCon19 … | konzeptblog
Pingback: My SnapCon19 … | Programmieren für Alle