Ist das Kultur? Oder kann das weg?

Zu später Stunde gucke ich manchmal im öffentlich-rechtlichen Fernsehen Sendungen, in denen Bücher – vorwiegend Belletristik – vorgestellt werden. So auch letztens Denis Scheck in lesenswert (SWR, 23: 35) und kurz darauf sah ich ihn schon wieder in druckfrisch (ARD, 23:00); übrigens eloquent und anregend gemacht (1).

Dabei ist mir aufgefallen, dass interaktive, digitale Objekte (sogenannte Born-digital Objekte) keine solche Wertschätzung und Betrachtung erfahren. Aber ich habe und kenne durchaus einige multimediale Produktionen, die (zu ihrer Zeit) eine solche Würdigung verdient hätten. Als Beispiele aus der digitalen Frühzeit (auf CD-ROM) sind etwa zu nennen:

Die Liste ließe sich deutlich verlängern, natürlich dann auch um aktuelle Apps, die entsprechend interaktiv und multimedial Inhalte aufarbeiten (z.B. Die Elemente) oder künstlerische Themen umsetzen (z.B. Wagnerwahn und auch wieder Beethovens 9.).

Natürlich gibt es hin und wieder einzelne Rezensionen in Zeitungen und Zeitschriften, aber ich kenne keine Foren, die sich kontinuierlich mit diesem Bereich unserer Alltagskultur befassen. Allerdings kenne ich ebenso wenig Sammlungen, in denen solche Objekte archiviert und zur Einsicht bereit gehalten werden. Wobei mir inzwischen aus eigener Erfahrung mit meinem kleinen SoftwareMuseum (Schwerpunkt Lernsoftware) klar ist, dass allein die Langzeitarchivierung dieser digitalen Objekte ein großes Problem darstellt – dem sich inzwischen Fachwissenschaftler in Gedächtnisorganisationen, Archiven und Museen widmen (vgl. das Projekt NESTOR).

Eine Ausnahme bildet das Genre Computerspiele (2). Für diese gibt es eigene Zeitschriften, zum Beispiel GameStar u.v.a. und inzwischen sogar eigene Museen, wie das Computerspielemuseum Berlin. Bei den eigentlichen Computermuseen stehen Hardware-Exponate im Vordergrund. Ausgewählte Software-Produkte dokumentiert das Computer History Museum (z.B. Betriebssysteme, Quellcodes exemplarischer Anwendungen).

Die von mir vermisste Auseinandersetzung mit digitalen Artefakten als kulturellen und wissenschaftlichen Ressourcen hängt also zum einen an dem Aufwand für deren dauerhafte Aufbewahrung, zum anderen am Fehlen entsprechender Foren, die sich damit kritisch inhaltlich auseinandersetzen. Ich empfinde dies als großes Manko und es zeigt mir, dass wir von einer vergleichbaren Akzeptanz und Etablierung digitaler Ausdrucksformen und Produkte im Kulturbetrieb (wie bei Buch, Musik oder Film) noch weit entfernt sind.

  1. Auch die anderen Büchersendungen im ÖRF sind leider fast ausnahmslos auf solche späten Termine (um 23: 00) gelegt.
  2. Als Anerkennung des kulturellen Werts von Spielen wurde der Bundesverband der Computerspielindustrie als Mitglied im Deutschen Kulturrat aufgenommen.

Update 12.11.2014: Zum Problem der Aufbewahrung digitaler Objekte findet sich nun ergänzend im SoftwareMuseum ein Betrag mit Lesetipps zur Medienarchäologie.

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